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„Es ist nicht dieses „Eins-zu-eins“-Dolmetschen, es wird aber auch nichts dazu gedichtet“

Sebastian Schneider vom Caritasverband Limburg konnte 6 Wochen auf die Arbeit von Negat Hassen zurückgreifen, die im Rahmen ihrer Ausbildung zur Sprach- und Integrationsmittlerin ein Praktikum bei ihm machte.

Negat Hassen war im Rahmen ihrer Fortbildung zur Sprach- und Integrationsmittlerin als Praktikantin bei dem Caritasverband in Limburg tätig. Wie kam es zu dem Kontakt zwischen bikup und Ihnen?

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Die „Eheschließung“ ging anderes herum. Wir haben in Limburg eine größere eritreische Gemeinschaft, zu der auch Frau Hassen gehört. Sie hat mich angesprochen und gefragt, ob Sie ein Praktikum bei uns absolvieren kann.

Kannten Sie den Tätigkeitsbereich der Sprach-und Integrationsmittler schon vor dem Kontakt zu bikup durch ähnliche Organisationen in Hessen?

Nein, bikup arbeitet ja stärker NRW bezogen, von daher kannten wir diese Organisation vorher nicht. Hessen ist diesbezüglich mehr ein Entwicklungsland. Hier gibt es sogenannte Integrationslotsen, die sind aber längst nicht so gut ausgebildet, wie die Sprach-und Integrationsmittler. Wir hatten auch im Gesundheitsbereich mal solche Lotsen auf ehrenamtlicher Basis, aber das wurde schnell wieder eingestellt. Ein solch strukturiertes System wie die Sprach- und Integrationsmittler ist uns hier fremd.

Sie arbeiten in der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer und haben sicherlich mit vielen Menschen aus den unterschiedlichsten Herkunftsländern zu tun. Was machen Sie, wenn Menschen zu Ihnen kommen, deren Sprache Sie nicht sprechen und mit deren Kultur Sie nicht vertraut sind?

Ich versuche es zuerst mit eigenen einfachen Worten, wenn aber klar ist, das funktioniert nicht, dann kommt erst mal die Frage an den Klienten selbst, ob er Verwandte hat oder Landsleute kennt, die er beim nächsten Mal mitbringen kann. Dann müssen wir einen neuen Termin vereinbaren oder Telefonkonferenzen machen. Wenn sie aber noch neu hier sind oder Probleme mit ihrer Community haben, dann greife ich auch schon mal auf andere Klienten zu, die deren Sprache sprechen. Die haben in der Regel keine entsprechende Ausbildung und arbeiten ehrenamtlich.

Wenn Köln also näher an Limburg liegen würde, könnten sie sich dann vorstellen, auf die Mitarbeiter von bikup zurückgreifen, vorausgesetzt Sie hätten das Budget dafür?

Letzteres ist das Problem. Es wäre toll, wenn ich auf bikup zurückgreifen könnte, aber es scheitert an der Finanzierung, wie vieles hier in Hessen.

Haben Sie denn gar kein Budget dafür?

Nein, aber damit stehen wir ja nicht allein hier. Es sind auch die Kliniken, Gesundheitsämter oder Jobcenter, die oft auf professionelle Dolmetscher zugreifen müssten. Nur beim Gericht ist das geregelt.

Dass es letztendlich aber teurer wird, wenn man auf professionelle kultursensible Dolmetscher verzichtet, scheint den Behörden nicht klar zu sein?

Nein, viele stehen auf dem Standpunkt, dass die Amtssprache hier Deutsch ist und die Leute diese Sprache lernen sollen. Das ist natürlich nicht besonders hilfreich, wenn man vor einer aktuellen Situation steht, wo es Sprachschwierigkeiten gibt.

Konnte Negat Hassen innerhalb ihres Praktikums als Sprach- und Integrationsmittlerin für Sie tätig werden? Bei welchen Einsätzen war das?

Wie bereits erwähnt, haben wir hier eine eritreische Flüchtlingsgemeinschaft. Dort hat sie bei Beratungsbesprächen sprachlich vermittelt und ihre Landsleute auch beim Gang zu Ämtern begleitet.

Konnten Sie einen Unterschied zwischen ihrer Art des Dolmetschens und der Vermittlung und dem einer klassischen Dolmetscherin feststellen?

Ja, es ist nicht dieses „Eins-zu-eins“-Dolmetschen, es wird aber auch nichts dazu gedichtet. Die Vermittlung erfordert eine größere Empathie. Ich kenne das von einer iranischen Kollegin, die immer mehrere Sätze braucht, als ich gesagt habe, um das, was ich meine, zu transportieren. Es geht halt nicht nur um das gesagte Wort, sondern die Vermittlung dessen, was dahinter steckt. Und das auf beiden Seiten. Oft sind es ja die Selbstverständlichkeiten, die auf Unverständnis bei dem jeweils anderen treffen.

Halten Sie es für wichtig, dass angehende Sprach- und Integrationsmittler ein mehrwöchiges Praktikum während ihrer Fortbildung in Einrichtungen aus den Bereichen Soziales, Bildung, Gesundheit absolvieren müssen?

Unbedingt! Einmal um ihr Wissen zu vertiefen und auszuprobieren, was klappt, was klappt nicht. Es ist wichtig, Abgrenzung, Rücksprache, persönliche Fähigkeiten oder Defizite kennenzulernen. Auch bei den fachlichen Inhalten. Außerdem ist es wichtig, dass auch die jeweiligen Einrichtungen den Wert dieser Sprach- und Integrationsmittler mitbekommen. Vielleicht schaffen sie es dann doch, stärker auf die Politik einzuwirken und um Finanzierung zu werben. Ich werde sicherlich innerhalb der Caritas diese Erfahrung weitergeben. Auf unserer Verbandschiene werde ich rückmelden, dass das eine sehr positive Geschichte ist. Die politisch Verantwortlichen in Hessen sind bisweilen beratungsresistent.

Die Menschen, die Ihre Migrationsberatung aufsuchen, sind aufgrund ihrer Erlebnisse oft traumatisiert. Sollten Dolmetscher, die sich um Sprach- und Kulturvermittlung bemühen, auch psychologisch geschult sein, um sich angemessen schützen bzw. verhalten zu können?

Ich denke, man darf diese Ausbildung auch nicht überfrachten. Als ergänzende Fortbildung für Sprach- und Integrationsmittler, die schon länger im Job sind, finde ich das gut. Man muss halt sehen, ob es muttersprachliche Therapeuten gibt, an die man in solchen Fällen vermitteln kann. Sonst kommt man in Bereich, wo man ganz schnell in einen Strudel geraten kann, nicht fachlich qualifiziert zu sein.

So ähnlich macht bikup das ja. Es gibt im Anschluss an die einjährige Fortbildung zum Sprach- und Integrationsmittler ein aufbauendes Spezialisierungsmodul für die Arbeit in bestimmten medizinischen oder sozialen Bereichen. Das ist sicherlich sinnvoll.

Gab es schon Situationen, in denen Sie bei Ihrer Arbeit rein vermittlungstechnisch an Ihre Grenzen gestoßen sind?

Das kommt nicht oft vor, kann aber schon mal passieren. In vielen Sachen kann man sich behelfen, wenn man wirklich daran interessiert ist, ein Problem zu lösen. Aber irgendwo sind dann auch Grenzen, insbesondere, wenn es um intensivere Beratungen geht. Was uns definitiv fehlt, sind muttersprachliche Therapeuten. Das ist ein großes Manko im Zusammenhang mit Traumatisierten, besonders hier im ländlichen Bereich. Die Psychiatrie im Nachbarort hat vor zwei Jahren angefangen, eine interkulturelle Ambulanz aufzubauen. Es gibt aber nur eine Handvoll muttersprachlicher Therapeuten, da bleiben noch genug Sprachen übrig, die nicht besetzt sind.


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